Ein Gedanke am Ramadan
Mir
fiel kürzlich auf dem Online-Forum der Zeitschrift DAS GEDICHT das von dem in
Berlin lebenden Autor Salean A. Maiwald (*1948) verfasste Gedicht Am
Freitag in die Augen.
Und als
ich es las, fiel mir ein ehemaliger Arbeitskollege ein. Er war – ich hoffe
natürlich, dass er es immer noch ist - Türke und Muslime. Es gibt in dem
Gedicht die Verse: „Doch jeden Freitag in der / Altstadt
Jerusalems / gefolgt vom Blick / schwerbewaffneter Soldaten // eilen vor
Sonnenaufgang / Muslime zum Feiertagsgebet / in die Moschee; / schleppen zur
Mittagszeit Christen, / des Karfreitags / gedenkend, / ein Kreuz durch die
Gassen; / hasten kurz vor Sonnenuntergang / Juden zur Klagemauer / den Sabbat
zu begrüßen.“
Immer freitags nach der Frühschicht, also jede zweite
Woche, hatten mein Arbeitskollege und ich über eine kurze Strecke, ca. einen
Kilometer, den gleichen Weg. Ich war auf meinem alten Drahtesel auf dem Heimweg
und er mit ausholenden Schritten auf dem Weg „zum Feiertagsgebet / in die
Moschee“. Jeder Freitag war für ihn ein Feiertag. Für mich nur der Karfreitag,
und das nur, weil er ein gesetzlich freier Arbeitstag war.
Wir verstanden uns gut. Und ich beneidete ihn besonders
für seine Schrift. Er bediente sich einer Kunstschrift, die jeden Kalligrafiefan
ins Schwärmen bringen konnte, und das sowohl mit unseren lateinischen
Schriftzeichen als auch mit arabischen. Er war für alles offen. Nur über seine
Familie wollte er nie sprechen. Und nicht über seine Religion. Und mit mir
schon gar nicht, nachdem er bemerkt hatte, wie schmalbrüstig meine christlichen
Überzeugungen sind. Ich weiß, er hätte sich sogar gerne mit einem überzeugten
Christen unterhalten, über Gott, Allah und die Welt. Doch soweit ich mich
erinnere, hat er keinen seinen Ansprüchen entsprechenden Andersgläubigen in der
Abteilung gefunden. Da war keiner, der an Karfreitag „ein Kreuz durch die
Gassen“ der „Altstadt Jerusalems“ schleppen würde. Das waren alles
säkularisierte Christen, keine Andersglaubens- und schon längst keine
Glaubensbrüder.
Ich weiß nicht, ob der Gebetsraum oder die –halle in
seiner Moschee jeden Freitag voll ist, kann mir aber vorstellen, dass sie
besser besucht ist als die katholische Kirche in meinem Stadtteil. Daher hat es
mich auch kaum gewundert, als ich in einer der letzten Ausgaben der
Ingolstädter Wochenzeitung INGOLSTADT-TODAY einen Beitrag von Chefredakteur Michael Schmatloch las, der sich
Gedanken über Das [zurzeit grassierende] große
Unbehangen nicht nur in Ingolstadt, sondern im ganzen Land macht und dabei
feststellt: „Auch wenn die Kirche nicht mehr den ‚Schutz‘ der Bevölkerung
genießt, so hinterlässt es doch ein massives Unbehagen, wenn wie im Hamburger
Stadtteil Horn eine Kirche mit Hilfe der Finanzen aus Kuweit zu einer Moschee
umgebaut wird, wenn das Kreuz ausgetauscht wird gegen den Schriftzug ‚Allah‘.“
Der Volksmund weiß, dass, wer anderen eine Grube gräbt,
selbst hineinfallen kann. Wer sich eine solche aber selber aushebt, läuft
Gefahr nicht mehr herauszukommen. Die Christen in Deutschland sind gerade
fleißig am Graben. Und viele wundern sich jetzt schon, ob der notwendigen
Kraftanstrengung, um wieder ans Tageslicht zu kommen. Die neuen Kreuze in den
Behörden der bayerischen Staatsverwaltung werden den Ausstieg aus der Grube
nicht leichter machen. Meinem ehemaligen Arbeitskollege aus noch
unbehagenfreien Jahren wird das alles gleichgültig sein ... solange er seinen
Freitagsweg in die Moschee unweit seines Arbeitsplatzes ungestört gehen kann.
Er hat sich diesen Weg mit seinem unerschütterlichen Glauben ehrlich verdient -
erst jetzt zur Opferzeit des Ramadan.
Anton Potche
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